Fan auf Abruf

Der Verein betont immer wieder welchen Wert das Gespür der Fans für bestimmte Situationen im Spiel hat. In den vergangenen Wochen und Monaten entstand jedoch der Eindruck, dass der Fan nur dann gefragt ist, wenn die Mannschaft Unterstützung braucht.

Nach dem Abpfiff in Stuttgart kam die Mannschaft in Richtung Gästeblock, und wurde mit Pfiffen empfangen. Die Rufe waren eindeutig: „Wir wollen euch kämpfen sehen!“. Darauf folgte keine weitere Reaktion, die Spieler drehten schnell wieder ab und gingen in die Kabine. Ein solches Verhalten besänftigt die wütenden Fans natürlich nicht. Sie hätten mit den Fans interagieren können, das blieb jedoch nach einer wenig engagierten Leistung aus. Ein Symbol dafür wie weit Fans und Verein auseinanderdriften? Im Grunde genommen zeigten die Spieler nur das was der Verein seit Wochen, gar Monaten nach außen hin ausstrahlt: Ruhe und Gelassenheit. Im Bewusstsein an den „Problemchen“ zu arbeiten.

Keine Einheit

Kritische Stimmen nahezu jeder Art, die von außen an die Mannschaft herangetragen werden, werden von Max Eberl abgewehrt. Beim Trainer ist es derzeit nicht anders. Dieter Hecking agiert ähnlich, er stellt sich stets schützend vor seine Spieler. Das ist durchaus nachvollziehbar und richtig, dennoch sollte doch konstruktive Kritik angenommen werden können, die auch oftmals Sorgen einiger Fans beinhaltet. Auch bei den Pfiffen und dem Wutausbruch des Sportdirektors hätte differenziert werden sollen. Serdar Somuncu wies ihn im Fohlenpodcast auf eine gänzlich andere Betrachtungsweise hin, ohne emotional zu werden.

Die Fans spürten, dass das Spiel aus den Händen zu gleiten drohte. Die Pfiffe waren letzten Endes wie ein Weckruf, um der Mannschaft zu signalisieren wieder aktiver am Spielgeschehen teilzunehmen. Im Endeffekt ist es eine Frage der Interpretation. Die Wahrheit wird irgendwie in der Mitte liegen – daran sollte man sich auch nicht zu lange aufhalten. Seit diesem Streit hat sich auch viel auf den Rängen getan: es ist ruhiger geworden, diverse Fangruppen fallen mit gegenseitigen Provokationen auf. Eine Einheit war zuletzt weniger wahrzunehmen, daheim wie auswärts.

Der Funke muss überspringen

Jetzt, wo die Mannschaft in einer (Ergebnis-)Krise steckt, wird wieder auf eben diese Einheit gesetzt. Matthias Ginter sprach von einer mannschaftlichen Geschlossenheit, Denis Zakaria möchte gemeinsam mit den Fans das große Ziel Europa erreichen. Als wäre dieses Gespür der Fans wie ein Abo, das einfach so abrufbar wäre: in schlechten Zeiten mit uns, aber bitte ohne unangenehm zu werden. Ist es wirklich das was Borussia haben möchte? Die Mannschaft ist gefordert, die Fans stehen doch zur Borussia. Jetzt muss nur noch der Funke auf die Mannschaft überspringen, um wieder alles ins Boot zurückzuholen. Das geht ganz einfach: mit begeisternden Fußball. Fans und Mannschaft stehen in einer wechselseitigen Beziehung.

Keine Frage, es gibt Fans, die über die Stränge schlagen. Beleidigungen, stumpfe Forderungen nach einer Entlassung und polemische Aussagen sind nicht produktiv. Der Fan möchte aber doch eine Stimme haben, eine konstruktive Stimme. Der Fan, der sich Sorgen macht, und sich Tag für Tag mit der Borussia auseinandersetzt. Auf der Pressekonferenz vor dem Heimspiel gegen Dortmund wurde davon gesprochen, dass Europa kein Ziel gewesen sei, sondern von wem auch immer ins Gespräch gebracht wurde. In diesem Moment fragt sich der Fan: werde ich überhaupt noch ernst genommen?

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