Fußball-Berichterstattung: ist es das was wir wollen?

Borussia Mönchengladbach spielt, die Vorberichterstattung startet. Eine Moderatorin interviewt Max Eberl vor einer wichtigen Begegnung, Thema: der FC Bayern München. Manch einer ist schon so genervt, dass er wahrscheinlich direkt umschaltet und bis zum Anpfiff wartet. In der Halbzeitpause: im Studio wird über Max Eberl un den FC Bayern München diskutiert. Wann genau ist der Fußball an sich so weit in den Hintergrund geraten?

Es ist langweilig geworden die Berichte rund um ein Fußballspiel im Fernsehen zu verfolgen. Während der normale Zuschauer längst gemerkt hat, dass das Spiel auf dem Rasen wesentlich komplexer geworden ist, so scheinen die Sender sich immer weniger darum zu bemühen den Zuschauer an die Hand zu nehmen und taktische Erklärungen zu liefern. Das bedeutet nicht unbedingt, dass die Qualität nachgelassen hat, aber es ist auffällig in welche Richtung sich die Sender bewegen. Es müssen unbedingt Sensationsmeldungen produziert werden: Reporter fragen so lange unerbittlich nach bis der Fremdscham förmlich auf der Couch zu spüren ist. Als Fan der Borussia ist die Fragerei in Bezug auf die Zukunft von Max Eberl allgegenwärtig.

Nachfragen: ja!

Es ist die Aufgabe von Journalisten, sie müssen nachfragen. Das ist nicht einmal das Kernproblem, sondern wie sich anhand solcher Interviews und den dort getätigten Aussagen ein ganzes Fernsehprogramm aufbaut. Wie war das nochmal bei dem durchgesickerten möglichen Karriereende von Philipp Lahm? Auf einmal wird der größere Teil der Sendung um die Champions League Begegnungen dazu genutzt, um über den Spieler, seine Karriere und seine mögliche Anstellung als Sportdirektor beim FC Bayern München zu sprechen. Es wird auf der Grundlage von fehlenden bzw. nicht vollständigen Fakten diskutiert, was die Übertragung einen Hauch von Boulevard verleiht.

In die Tiefe gehen: nein!

Bei einer Vorberichterstattung wäre es doch zu erwarten, dass nach der Präsentation der Aufstellungen über die mögliche Spielweise der beiden Mannschaften geredet wird. Die taktische Komponente im Fußball nimmt inzwischen eine dermaßen untergeordnete Rolle im Fernsehen ein, dass der Eindruck entsteht der Fußball sei immer noch die einfachste Sache der Welt. Meist kann dem Zuschauer nur via Grafiken und kurz vorgeführten Spielszenen ein kleiner Einblick in die Taktik gewährt werden, jedoch ist das weit von einem anspruchsvollen Niveau entfernt. Im ZDF Sportstudio wird die Taktik einer Mannschaft meist in wenigen Minuten abgehandelt, obwohl ein Spiel in der Bundesliga inzwischen eine ungeheure Dynamik im taktischen Wandel birgt. Wer den Anspruch hat mehr zu verstehen und sehen zu wollen, der muss sich schon Lektüre zulegen oder spezielle Blogs im Netz aufsuchen.

Der Schlafein Day

An die Spitze wird es getrieben, wenn in aller Regelmäßigkeit das Transferfenster im Begriff ist zu schließen. Der klitzekleine Spalt, das winzige Zeitfenster, die letzten Stunden vor Ladenschluss werden dazu genutzt eine künstliche Stimmung zu erzeugen. Das ganze Theater mit Live-Schaltungen zu Außenreportern wirkt so leblos, weil alleine der Reporter zu sehen ist, der nicht mehr erzählt als der durchschnittliche Fußball-Interessent sowieso schon weiß. Es ist wieder diese Sensationsgier, die anscheinend diesen ganzen Zirkus am Leben hält. Ein Mehrwert für den Zuschauer wird nicht geschaffen, maximal das Interesse durch eine mögliche Sensation wird getriggert. Am Ende des Tages hätte es jedoch ausgereicht den Vollzug des Transfers auf der Vereinshomepage zu lesen.

Dreh den Swag auf!

Die Fokus auf diesen Sport verschiebt sich. Wenn über den Style der Sportler, die zuletzt online gestellten Fotos oder über die Model-Freundin eines berühmten Spielers berichtet wird, wo genau ist da der Fußball geblieben? Fußball-Stammtische im deutschen Fußball sind vorm Aussterben bedroht! Der Doppelpass bei Sport1 steht schon länger in der Kritik, Sky90 steht lediglich Kunden des Senders zur Verfügung, der Kicker versucht es seit einiger Zeit mit einem eigenen Fußball-Talk. Sky90 fokussiert sich wirklich auf wenige Themen und bemüht sich alles im Detail zu besprechen. Es ist also längst nicht alles zu bemängeln. Bei keiner dieser Sendungen geht es jedoch wirklich um Taktik, System, Analysen. Leider ist die Spieltagsanalyse bei Sport1 weniger bekannt, die einzelne Spielszenen analysiert und bespricht.

Optik vor Qualität?

Wem ist eigentlich nicht aufgefallen? Der Fußball scheint für Frauen urplötzlich extrem interessant geworden zu sein. Moderatorinnen sind sicherlich angenehmer anzusehen als wenn der ältere Rolf Fuhrmann die Spieler interviewt. Natürlich soll das Aussehen eine untergeordnete Rolle spielen und die Qualität als Moderator im Vordergrund stehen, dennoch ist die Flut an Frauen im Fußball-Fernsehen auffällig. Esther Sedlaczek und Anna-Sara Lange sind zwei Moderatorinnen, die ihre Fähigkeiten längst durch souverän geführte Interviews geführt haben. Speziell die Sprachgewandtheit von Frau Lange ist beeindruckend, die gleich sechs Sprachen fließend spricht und weitere leicht versteht. Die Kritik soll vor allem solche treffen, die offensichtlich über einen begrenzten Fragenkatalog verfügen und häufiger ein „ähm“ in ihre Sätze einbauen – souverän ist anders. Manch eine Nachwuchsmoderatorin hätte beim Modeln bleiben sollen. Wieso agieren die Sender derartig? Ist es das Ziel mehr Schein als Sein zu produzieren – kurz wieder an die Sensationsgier gedacht.

Fokus auf den Sport setzen

Es ist eine subjektive Auffassung eines Fernsehzuschauers, der seltener die Berichterstattungen um eine Partie ertragen kann. Ein Model am Spielfeldrand ist schön anzusehen, aber bringt meist keinen inhaltlichen Mehrwert für die Sendung. Die Sensationsgier, die zumeist durchdringt, macht es dann umso anstrengender den wackeligen Interviews zu folgen. Im Anschluss werden die Worte wie gewohnt genau analysiert, um wenigstens auf irgendeiner Grundlage diskutieren zu können. Wenn die Sender mindestens so viel Energie für die Analysen von Taktik und Systemen aufwenden, gäbe es sicherlich reichlich Gesprächsstoff um eine vollständige Sendung zu füllen.

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