Per Mertesacker beendet seine Karriere wie er sie begonnen hat

Stress und Druck gehören zum Leben. Nahezu jeder möchte möglichst seiner Familie, seinen Vorgesetzten auf der Arbeit, Freunden und auch sich selbst gerecht werden. Das kann mitunter ziemlich anstrengend sein, und könnte langfristig zu einer psychischen Belastung führen. Per Mertesacker spricht im Interview mit dem Spiegel über das was er persönlich in seiner Profi-Laufbahn empfunden hat: Leistungsdruck. Die Reaktionen darauf hätten nicht unterschiedlicher sein können.

„Was für ein Weichei!“ Solche Kommentare kamen wahrscheinlich von denjenigen, die das Interview des 33-jährigen als ein großes Jammern aufgefasst haben. Er habe doch in seiner Karriere zig Millionen Euro verdient, und hätte daher jederzeit in den frühzeitigen Ruhestand gehen können. „Wie kann er sich nur beschweren?“ Die heutige Fußballer-Generation bestehe wirklich nur noch aus Memmen! Selbst ein Lothar Matthäus hatte in der Vergangenheit Druck gespürt, ihm fehlte die Luft zum Atmen, auch wenn er bei Sky ganz andere Töne spuckte

Probleme besprechen können

Es ist eine Neiddebatte enstanden, die wahrscheinlich nie aufgekommen wäre, wenn ein Krankenpfleger von einem ähnlichen Druck im Krankenhaus gesprochen hätte. Das Geld mal außen vor, ja dafür braucht es ein Stück weit Empathie. Ein Profi-Fußballer muss letzten Endes eine größere Verantwortung tragen, als manch einer denken mag. Er muss wesentlich mehr Menschen gerecht werden, als ein „normaler“ Büro-Mitarbeiter. Ein individueller Fehler im Relegationsduell, der den Abstieg bedeutet, und viele in der Geschäftsstelle des Vereins könnten ihren Job verlieren. Als Borusse sollte hierbei an das Eigentor von Havard Nordtveit gedacht werden. Hätte er das so einfach weggesteckt, wenn Gladbach abgestiegen wäre?

Es ist noch wichtig zu verstehen, das jeder Mensch anders mit Drucksituationen umgeht. Das bedeutet, dass nicht jeder Profi-Spieler mit mentalen Problemen zu kämpfen hat, oder hatte. Die meisten finden einen Weg damit umzugehen, ansonsten gäbe es mehr Fälle wie von Sebastian Deisler oder Thomas Broich. Das Interview hat ein Tabu-Thema in die Öffentlichkeit gebracht, und dieses wird nun wild diskutiert. Denn immer noch wird wenig bis gar nicht über Probleme in der Kabine gesprochen, und den Psychologen aufzusuchen ist nach wie vor ein Zeichen der Schwäche.

Umdenken anstoßen

Per Mertesacker hat in seinem Fußballer-Leben seine Leistung gebracht, ansonsten wäre er wohl kaum Weltmeister geworden, und das trotz des Drucks. Der Druck gehörte zum Fußball dazu, und er hat anscheinend Mittel gefunden diesen zu ertragen. Demnächst wird er als Funktionär im Nachwuchs vom FC Arsenal dafür sorgen, dass junge Talente auf den Profisport und den dazugehörigen Druck vorbereitet werden. Er wollte wahrscheinlich nicht nur im Verein ein Umdenken anstoßen, sondern mit dem Interview möglichst viele Menschen erreichen. Es betrifft schließlich nicht nur Fußballer, es ist quasi an die gesamte Gesellschaft gerichtet. Er beendet seine aktive Karriere so wie er sie begonnen hat, als 20 Jähriger half er neben dem Sport geistig Behinderten, und zum Abschluss möchte er nochmal ein Zeichen setzen. Ein authentischer Typ!

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