Entscheidende Wochen für Borussia

Nach zuletzt drei sieglosen Spielen, einem Unentschieden bei Sankt Pauli und zwei Niederlagen in Serie steht Borussia erneut vor der Herausforderung, sich mit einem positiven Gefühl aus der Saison zu verabschieden.

Ähnlich wie vor einem Jahr, als Roland Virkus bei der Mitgliederversammlung demonstrativ alle Kräfte mobilisierte, um den Abstieg zu verhindern, ohne selbst das Wort in den Mund zu nehmen. Verbunden mit dem Versprechen, dass nach kleinen Anpassungen im Kader in der nächsten Saison alles besser wird. Im Moment ist Borussia, gemessen an den vor Saisonbeginn geäußerten Erwartungen, auf einem guten Kurs. Den neunten Platz als Ziel für die verbleibenden Spiele anzuvisieren, dürfte die Fans aber kaum begeistern, insbesondere weil das europäische Geschäft greifbar erscheint. Es stellt sich zunehmend die Frage: Was bleibt nach dieser Saison als Erkenntnis, wenn man irgendwo im grauen Mittelfeld der Bundesliga landet?

Mannschaft entwickelt sich weiter, ohne den großen Schritt zu machen

Die Rückkehr in die obere Tabellenhälfte könnte noch gelingen, was aber als ziemlich sicher gilt: Die Abwehr wird sich gegenüber der Vorsaison mit 67 Gegentoren (aktuell 46 Gegentore) verbessern. Schon jetzt ist klar, dass Borussia nach einer historisch schwachen Saison am Ende mindestens zehn Punkte mehr haben wird als in der vorherigen. Diese Leistung ist vor allem darauf zurückzuführen, dass sich die Mannschaft lange Zeit keine Führung mehr nehmen ließ. Erst in den letzten beiden Spielen gaben sie erstmals wieder eine Führung noch aus der Hand. Die Mentalität in der Mannschaft hat also lange gestimmt, was vor allem an Charakteren wie Tim Kleindienst und Philipp Sander liegt. Die Sommertransfers haben sich überwiegend als richtige Entscheidungen herausgestellt, nur Kevin Stöger ist etwas hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Abseits des Platzes hat sich aber eine klare Hierarchie entwickelt, die sich auch leistungsmäßig ausgezahlt hat.

Auch wenn viele Verbesserungen erkennbar sind, fehlt nach wie vor eine klar erkennbare Spielidee. Borussia wechselt zwischen verschiedenen Stammformationen, der Erfolg stellt sich aber vor allem über die vorhandene individuelle Spielerqualität ein. Schon bei zwei, drei Ausfällen auf entscheidenden Positionen ist ein spürbarer Leistungsabfall zu erkennen. Es scheint sich zu rächen, dass der Kader in der Breite immer noch nicht verstärkt wurde. In Dortmund saßen vier Spieler auf der Ersatzbank, die in dieser Saison mehr in der U19 oder U23 gespielt haben. Hinzukommen weitere, die nicht an ihr höchstes Leistungsniveau herankommen oder die notwendigen Entwicklungsschritte nicht gemacht haben. Abgesehen von Lukas Ullrich, der vom Ausfall eines Konkurrenten profitierte, konnte sich kein weiteres Talent in die erste Elf spielen. Entweder fehlt es an Qualität im eigenen Nachwuchs und bei den verpflichteten Toptalenten oder es gelingt dem Trainerteam nicht, diese effektiv an den Profibereich heranzuführen. Erfolge sind bei anderen Bundesligavereinen erkennbar, die über geringere finanzielle Mittel verfügen, aber dennoch eigene Talente ausbilden.

Der Transfersommer wird nicht alles lösen können

Borussia könnte sich also in den nächsten Monaten wieder mit entscheidenden Fragen beschäftigen, um eine nachhaltige Entwicklung gewährleisten zu können. Einige Anpassungen im Kader könnten genutzt werden, um auch auf der Trainerposition jemanden zu finden, der die Mannschaft noch weiter nach vorne bringen kann. Gerardo Seoane ist es gelungen, eine gewisse Stabilität herzustellen, aber nach insgesamt zwei Jahren hat er auch nicht mehr als diese Minimum erreicht. Die Frage ist, ob die Sportliche Leitung das auch so sieht – wahrscheinlich nicht. Kontinuität wird priorisiert werden, so dass wieder vor allem an einem auf den Trainer zugeschnittenen Kader gearbeitet wird. Die wenigsten Arbeit steht vermutlich auf der Torhüterposition bevor. Moritz Nicolas hat seinen Platz zwischen den Pfosten so gut wie sicher, da Jonas Omlin zu verletzungsanfällig ist und Tiago Pereira Cardoso noch an sich arbeiten muss. Tobias Sippel beendet am Ende der Saison seine Karriere, so dass zumindest bei einem möglichen Abgang von Omlin ein erfahrener zweiter Torhüter wünschenswert wäre. Deutlich mehr Fragezeichen gibt es in der Abwehr: Ko Itakura hat das Interesse vieler Vereine geweckt, Nico Elvedi hält sich alle Optionen offen, auch Joe Scally könnte sich neu orientieren. Bei Marvin Friedrich und Luca Netz muss die Vertragssituation geklärt werden, sonst könnten beide für eine niedrige Ablöse abgegeben werden. Auch Stefan Lainer liebäugelt mit einer Rückkehr in seine Heimat. Allerdings scheint Borussia mit den Verpflichtungen von Kevin Diks (Innenverteidiger) und Jens Castrop, der auch auf der rechten Seite verteidigen kann, bereits vorgesorgt zu haben.

Im Mittelfeld weckt Julian Weigl derzeit das Interesse eines ehemaligen Trainers, der mit Leeds United in die Premier League aufgestiegen ist. Borussia scheint sich auf einen Abgang vorzubereiten, indem Leon Avdullahu vom FC Basel ins Auge gefasst wurde. Solange kein Wunschverein von Rocco Reitz anfragt, wird die Identifikationsfigur in Mönchengladbach bleiben – gleiches gilt für Philipp Sander. Florian Neuhaus hingegen sollte sich einen Vereinswechsel überlegen, es sei denn, auf der Trainerposition gibt es eine überraschende Wende. Niklas Swider wird die Gelegenheit haben, sich weiterzuempfehlen. Im Angriff wird sich aus verschiedenen Gründen nicht viel ändern, lediglich auf der linken Angriffsseite sowie in der Sturmspitze wird es Verpflichtungen für die Breite geben müssen. Tim Kleindienst ist derjenige, der wahrscheinlich die höchste Ablösesumme erzielen kann, ansonsten gibt es keinen dringenden Bedarf, jemanden abzugeben.

An welchem Entwicklungspunkt steht die Mannschaft?

Borussia muss nur darauf achten, möglichst viele der Spieler zu halten, die sie als Führungsspieler identifiziert hat. Kleindienst und Reitz abzugeben, würde wohl schwerer wiegen als Omlin und Weigl. Itakura hält derzeit die Innenverteidigung zusammen. Es ist zu hoffen, dass der bereits verpflichtete Diks eine ähnliche Mentalität mitbringt. Roland Virkus kündigte im vergangenen Jahr an, dass nun eine Phase beginnen werde, in der der Verein wieder aktiv gestalten könne. Die Qualität des Kaders soll nicht nur gehalten, sondern auch gesteigert werden. Es bleibe aber dabei, dass Borussia erst einkaufen könne, wenn Einnahmen aus Transfers generiert werden. So kann dieser Sommer eine große Chance sein, die guten finanziellen Möglichkeiten zu nutzen, um wieder an das frühere Niveau anknüpfen zu können. Dazu muss aber auch wieder einiges hinterfragt werden, vor allem wenn die Saison wieder ohne positives Gefühl endet. Nicht weil das Saisonziel verfehlt wurde oder der Mannschaft der erkennbare Wille fehlt, sondern weil der Kader insgesamt wieder an einem ähnlichen Entwicklungspunkt zu stehen scheint wie vor einem Jahr.

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