Nach der Vertragsverlängerung mit Roland Virkus lohnt sich ein Rückblick: Was wurde seit Beginn der neuen Saison erreicht? Daraus lassen sich Gründe ableiten, die für, aber auch gegen diese Entscheidung sprechen.
Es wurden Fehler gemacht, die bis heute nachwirken. Es wurden aber auch herausragende Transfers getätigt und Veränderungen in den internen Strukturen des Vereins vorgenommen, die längst überfällig waren. Insgesamt scheint es jedoch nicht so zu sein, dass die höchsten Verantwortlichen der selbst auferlegten strategischen Neuausrichtung – dem Borussia-Weg – gerecht werden können. Denn Ziel dieses Weges ist es, den eigenen Nachwuchs und die verpflichteten Top-Talente gezielt zu fördern und später mit hohem Gewinn zu verkaufen. Zumindest bei den Top-Talenten hatte der Verein zuletzt kein glückliches Händchen, im Gegenteil. Tomas Cvancara kam für geschätzte zehn Millionen Euro von Sparta Prag, Nathan Ngoumou wechselte für rund acht Millionen Euro an den Niederrhein und für den erneut ausgeliehenen Oscar Fraulo zahlte die Borussia zwei Millionen Euro an den FC Midtjylland in Dänemark. Wenn nicht ein Wunder geschieht und einer der drei einen deutlichen Entwicklungsschub erlebt, werden Einnahmen für zukünftige Verpflichtungen fehlen.
Fehlgriffe und Glücksgriffe
Die Mannschaft hat sich im Vergleich zu den letzten beiden Spielzeiten weiterentwickelt, was angesichts der sportlichen Talfahrt auch notwendig war. Nach einem verkorksten Jahr unter Daniel Farke und einem durchwachsenen unter Gerardo Seoane konnte bei der letzten Mitgliederversammlung nur um Vertrauen geworben werden, da fast alle gesteckten Ziele verfehlt oder nach unten korrigiert werden mussten. Den wohl größten Applaus erhielt Virkus, als er vor den Mitgliedern verkündete, dass Patrick Herrmann und Tony Jantschke der Borussia auch nach ihrem Karriereende erhalten bleiben. llerdings schienen die Verantwortlichen damals erkannt zu haben, dass das Vertrauen in die bereits vorhandenen Führungsspieler der Mannschaft zu groß war und nicht zurückgezahlt werden konnte, so wurde es zumindest in Interviews angedeutet. im Kleindienst war in jeder Hinsicht ein Glücksgriff. Er hat nicht nur bisher mit seinen Toren, sondern auch mit seinem gesamten Auftreten geholfen. Borussia scheint richtig zu analysieren, sieht aber oft bestimmte Entwicklungen nicht kommen, was letztlich wieder nur Zeit kostet. Dennoch scheint man insgesamt dazugelernt zu haben, was die bevorzugten Märkte angeht. Derzeit scheint man sich neben Frankreich vor allem auf bekannte Spieler aus der ersten und zweiten Bundesliga zu konzentrieren.
Aus vergangenen Fehlern lernen
Roland Virkus ist es aber auch gelungen, den einen oder anderen sehr guten Spieler für die Borussia zu begeistern. Robin Hack wechselte für eine geringe Ablösesumme von Arminia Bielefeld zur Borussia. Wie sehr Franck Honorat dem Spiel hilft, merkt man immer dann, wenn er wie zuletzt verletzungsbedingt länger ausfällt. Ko Itakura hat sich zu einer festen Größe in der Innenverteidigung entwickelt. Über Tim Kleindienst muss man nicht viele Worte verlieren, er ist zweifellos angekommen. Zudem hat sich Rocco Reitz zu einer Identifikationsfigur entwickelt und auch Moritz Nicolas und Lukas Ullrich konnten sich durch glückliche Umstände einen festen Platz bei den Profis erarbeiten. Auch wenn Jonas Omlin mit dieser Situation nicht zufrieden sein dürfte und man sich im Verein im Nachhinein sicher sagen wird, dass man sich diese Ausgabe hätte sparen können, aber ein solches Verletzungspech kann niemand vorhersehen. Was hingegen vermeidbar gewesen wäre, sind die Verlängerungen von Christoph Kramer, Florian Neuhaus und Stefan Lainer. Ersterer unterschrieb noch unter Farke ein neues Arbeitspapier und kassierte ein beachtliches Gehalt, konnte aber nach seinem Abschied aus Mönchengladbach keinen neuen Verein finden. Neuhaus wurde vor über einem Jahr als Schlüsselfigur für den neu eingeschlagenen Weg dargestellt, von dem inzwischen nicht mehr viel zu sehen ist. Lainer verlängerte erst vor einem halben Jahr, um Gerüchten zufolge schon wieder über einen Abschied nachzudenken.
Der Versuch, mit Nils Schmadtke jemanden neben Roland Virkus aufzubauen, ist gescheitert, so dass die Entscheidungsgewalt mehr oder weniger bei einer Person zu liegen scheint. Seine über 30-jährige Vereinszugehörigkeit ist kein Qualitätsmerkmal und gehört auch nicht in eine Begründung, um ihn mit einem leistungsgerechten Vertrag auszustatten. Vereinstreue ist aus emotionaler Sicht eines Fans etwas Besonderes, darf aber nicht ausschlaggebend für eine solche Vertragsverlängerung sein und sollte in der Kommunikation nicht so hervorgehoben werden. Der Kritiker würde sagen, dass das so souverän rübergekommen ist, wie der Geschäftsführer vor TV-Kameras. Unklar bleibt für wie viele Jahre er unterschrieben hat. Dennoch trägt Virkus die Raute im Herzen, identifiziert sich voll und ganz mit dem, wofür die Borussia steht. Nach den Vorkommnissen in den Monaten vor dem Eberl-Aus wäre es aber wünschenswert, dass nach diesen Erfahrungen mit mehr Weitsicht gehandelt wird. Die internen Strukturen wurden zwar angepasst, aber nur dort, wo die Machtverhältnisse nicht gefährdet sind. egenwärtig lässt der Verein wieder fahrlässig ein Machtvakuum entstehen.
Der Erfolg gibt ihm – zunächst – Recht
Bei aller Kritik muss aber auch betont werden, dass sich die Mannschaft in dieser Saison weiterentwickelt hat und auf dem Platz das verkörpert, was Virkus immer erreichen wollte. Es ist eine Einheit entstanden, die den Fans wieder Freude bereitet – auch wenn es zwei Jahre gebraucht hat. Auch in der Bundesliga liegt man absolut im Soll, so dass es durchaus Argumente für eine Vertragsverlängerung gibt. Die sportlichen Ergebnisse geben ihm Recht. Jetzt müssen nur noch die richtigen zukunftsweisenden Entscheidungen getroffen werden, damit die Borussia vor allem mittel- und langfristig wieder dort ankommt, wo sie noch vor wenigen Jahren war. Denn eines ist auch klar: Auch wenn immer wieder auf die finanziell angespannte Situation verwiesen wird, wenn ein Transfer nicht getätigt werden kann, so hat man sich auch durch Managementfehler in diese Lage gebracht. Auch deshalb gibt es Stimmen, die sich eine andere Lösung gewünscht hätten. Aber vielleicht ist gerade das der Ansporn für den Geschäftsführer Sport, alle Kritiker vom Gegenteil zu überzeugen und Borussia in eine erfolgreiche Zukunft zu führen.