Borussia-Weg in einer Sackgasse

Borussia Mönchengladbach stagniert sportlich und strukturell, Konsequenzen bleiben aus. Die Fans sind enttäuscht – der Sommer wird zur Bewährungsprobe werden. Ohne klare Veränderungen droht der Verein endgültig in der Mittelmäßigkeit zu versinken.

Borussia wird mit ziemlicher Sicherheit keine personellen Konsequenzen aus der enttäuschenden vergangenen Saison ziehen. Gespräche über eine mögliche Vertragsverlängerung mit Gerardo Seoane sollen erst zu einem späteren Zeitpunkt stattfinden. Zunächst braucht es Antworten auf den Absturz von Platz fünf auf zehn innerhalb weniger Wochen, in denen nur zwei Punkte aus sieben Spielen geholt wurden. Die Art und Weise, wie die beiden Unentschieden in Hamburg und gegen Hoffenheim erreicht wurden, geben zusätzlich zu denken. „Es war nicht alles schlecht. Dreiviertel der Saison haben wir gut performt, im letzten Viertel nicht mehr.“, erklärte Roland Virkus nach dem letzten Spieltag. Dabei wurde übersehen, dass im ersten Viertel eine Schwächephase durchschritten wurde, in der unter anderem das Pokal-Aus gegen zehn Frankfurter und eine desolate Leistung in Augsburg zu verzeichnen waren, um anschließend einen „goldenen Herbst“ zu erleben. Bis zum Jahresende wurde aus zehn Spielen nur noch eines verloren.

Erwartungsdifferenzen

Zum Jahresstart setzte es zwar drei Niederlagen, doch davon konnte sich die Mannschaft erholen und schließlich auf eine Auswärtssieg-Rekordjagd gehen. Nach dem 4:2-Erfolg in Bremen und dem 1:0 über RB Leipzig und Ex-Coach Marco Rose, der nach dieser Niederlage entlassen wurde, folgte die besagte Sieglosserie von sieben Spielen. Hätte Borussia ähnlich stark gepunktet, wie im Saisondurchschnitt, dann hätte es eine realistische Chance auf Europa gegeben. Doch diese Chance wurde nicht nur nicht genutzt, sondern praktisch weggeworfen. Die Enttäuschung vieler Fans, die sich unter anderem in Pfiffen äußerte, emotionalisierte den Geschäftsführer Sport immer wieder. So war er beispielsweise Anfang November von illusorischen Erwartungen, wie der Champions League, überzeugt. Nach dem späten Ausgleich im Heimspiel gegen Hoffenheim zeigte er sich überrascht, dass sich niemand im Stadion gefreut hat. Diese Reaktionen allein zeigen schon, wie unterschiedlich dieselbe Saison wahrgenommen werden kann.

Ein kleiner Fortschritt für die Fans, ein großer für die Verantwortlichen

Auch wenn in Analysen erkannt wird, woran gearbeitet werden muss, fehlen die entscheidenden Fortschritte. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass diese Saison besser gelaufen ist als die historisch schwache vergangene. Das sollte jedoch nicht der Maßstab sein, insbesondere, da es nicht schlechter hätte laufen dürfen – ansonsten wäre der Verein in die 2. Bundesliga abgestiegen. Die unterschiedlichsten Statistiken weisen darauf hin, dass sich Borussia auf die individuelle Klasse einzelner Spieler verlassen muss. Moritz Nicolas parierte bis zu seinem verletzungsbedingten Ausfall überragend und auch die Verpflichtung von Tim Kleindienst stellte sich als Glücksgriff dar. Im Vergleich zur Vorsaison haben die beiden den Unterschied ausgemacht. Borussia ist seit Jahren die Mannschaft mit den wenigsten Verteidigungsaktionen im letzten Drittel. Das deutet darauf hin, dass die Mannschaft sehr tief steht. Das belegen auch die ligaweit meisten geblockten Schüsse sowie die meisten Ballkontakte im defensiven Drittel, also in der Abwehrreihe. Abschließend dazu: Die xPTS-Statistik von Understat zeigt näherungsweise, dass Borussia seit Jahren auf einem ähnlichen Niveau punktet.

Der Druck ist auch in diesem Sommer groß

Auch das wirft Fragen auf, die es zu beantworten gilt. Zu hoffen bleibt, dass die Analysen über die Anzahl der Gegentore und erzielten Punkte in der Abschlusstabelle hinausgehen. Denn all das deutet darauf hin, dass die Mannschaft Veränderungen braucht. Es bleibt aber dabei, dass nur dann Neuverpflichtungen getätigt werden können, wenn zuvor Einnahmen aus Transfers generiert wurden. Dabei sollte dem Verein bewusst sein, dass dieses Prinzip nur so lange Bestand hat, wie Spieler gewinnbringend verkauft werden können. Das steht jedoch zunehmend auf der Kippe, wenn Leistungsträger abgegeben werden müssen, während sich vermeintliche Top-Talente nicht wie gewünscht weiterentwickeln oder sich sogar als Flop herausstellen. Selbstkritische Töne werden nach außen hin zwar weniger wahrgenommen, aber aus den Transfers von Nathan Ngoumou und Tomas Cvancara, die Borussia circa 18 Millionen Euro gekostet haben, werden Konsequenzen gezogen worden sein. Dadurch wird der Borussia-Weg zu einer Sackgasse. Das erhöht den Druck auf die Verantwortlichen, dass die anstehenden Sommertransfers sitzen müssen. Aus diesem Grund wird man sich weniger auf das internationale Scouting verlassen, sondern möglichst risikoarm in Deutschland nach möglichen Neuverpflichtungen suchen.

Es fehlt externer Input

Borussia hat sich still und heimlich zu einer grauen Maus entwickelt, bei der sich keine nachhaltige Strategie erkennen lässt. Von einer Übergangssaison über einen Umbruch zu einem klitzekleinen Fortschritt – gleichzeitig wird den handelnden Personen wiederholt Vertrauen geschenkt, obwohl sie ihre Saisonziele verpassen. In gewisser Weise ist es nachvollziehbar, dass das Präsidium sie nicht sofort öffentlich infrage stellt oder gar entlässt. Wenn die handelnden Personen aber ohnehin keine Konsequenzen zu ziehen scheinen, wirken solche Zeichen wie zum Selbstzweck. Das Präsidium und der Aufsichtsrat könnten Einfluss nehmen. Nach außen hin und den Reden auf Mitgliederversammlungen zufolge gibt es aber keine Zweifel am eingeschlagenen Weg. So fehlt der Leistungsgedanke, der sich durch sämtliche Ebenen bei Borussia zu ziehen scheint. So gehen Fans auch eher mit einem bedrückenden und sich sorgenden Gefühl in die Sommerpause. Wenn die Verantwortlichen ihre Arbeit machen – und in diesem Sommer gibt es genügend zu tun – kommt durch positive Ergebnisse das Vertrauen zurück. Andernfalls könnte es ungemütlich werden, was nicht zu hoffen ist.

6 Kommentare Borussia-Weg in einer Sackgasse

  1. Markus Wennemann

    Hallo Jonas,

    100% agree.

    Das Entscheidende ist tatsächlich, dass mir persönlich der Leistungsgedanke durch die Ebenen der Borussia fehlt bzw. nicht kommuniziert wird. Und damit meine ich nicht, dass unrealistische Ziele rausposaunt werden, aber ein Sportdirektor, der keine Gelegenheit auslässt zu relativieren, aber z. B. seinen Trainer auf jeder Pressekonferenz im Regen stehen lässt, ist für mich nicht tragbar. gerade heutzutage, wo die Medienlandschaft einen Verein wie BMG mit der Strahlkraft kleiner oder größer schreiben kann, brauchst man (leider) auch einen Medienprofi (bei der Gelegenheit, wo ist eigentlich unser Geschäftsführer Medien verschwunden ??) und der ist RV nicht. Ich kenne die Zahlen von BMG ziemlich gut und Vereine wie Augsburg, Bremen, Freiburg, Mainz haben nicht solche Volumina und Möglichkeiten, aber machen deutlich mehr daraus….von Frankfurt ganz zu schweigen, die waren mal mit uns auf einer Welle !!

    Apropos Bremen: die haben einen Trainer freigestellt, der nicht verlängern wollte !! man geht nicht mit einem Trainer in ein letztes VJ !! Aber die haben eben auch einen guten SD.

    Warten wir es ab, ob das Management unserer Borussia die Kurve bekommt.

    Dein Markus

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  2. Peter Rathmann

    Ich teile leider die Beunruhigung vor der nächsten Saison. Vielleicht sollte Gladbach einen Sportchef finden, der Virkus entlasten könnte und bessere Transfers tätigen, aber die Frage ist, ob Roland Virkus Macht abgeben will.

    Grüsse von Kopenhagen
    Peter Rathmann

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  3. Michael Schoening

    Der Markus hat mit seinem Kommentar völlig recht. Es fehlt der Leistungsgedanke auf allen Ebenen. Wir brauchen keine Umbruch- sondern eine Aufbruchstimmung. Gefühlt werden wir Weihnachten wieder einen Trainer irgendwo herzaubern müssen. Seoane passt einfach nicht in die niederrheinische Mentalität, hat keinen Spieler wirklich besser gemacht, geschweige denn der Mannschaft das laufen beigebracht

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  4. Stefan Lange

    Hallo zusammen,
    ich lese gerade ,dass Werder sich mit Horst Steffen einig ist. Das beschreibt die Borussia heutiger Tage quasi perfekt: ein ehemaliger Gladbachspieler,der seit Jahren eine sensationelle Arbeit als Trainer macht,den jeder halbwegs begabte Entscheidungsträger spätestens letztes Jahr kontaktiert hätte,wird offensichtlich links liegen gelassen.
    Man könnte noch viele personelle Verfehlungen der letzten Jahre aufsagen,egal ob es Trainer,Spieler oder Offizielle betrifft(über einige wenige liesse sich sicherlich streiten),aber offensichtlich ist: wichtige Posten in diesem Club sind völlig fehlbesetzt! Gladbach ist fußballerisch meistens zu bemitleiden,hat diese Saison einzig und allein von der noch größeren Schwäche anderer Teams profitiert.
    Der einzige Grund,dass Gladbach noch nicht komplett zur grauen Maus a la Augsburg(wobei die sich gerade den anderen interessanten Kandidaten geschnappt haben) geworden ist,ist die wahre Stärke der Borussia und das ist die unvorstellbare Treue der Fans,einfach überragend! Bin gespannt wie lange das noch so bleibt…
    Beste Grüße
    SL

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  5. Timo Gälzer

    Deinem Kommentar kann ich nur zustimmen. Wir sind leider zu einer absolut grauen Maus verkommen was Strahlkraft und „Sex-Appeal“ für neue Spieler betrifft. Andere Vereine die wir früher nur belächelt haben ziehen die Reißleine in Sachen Trainer und Sportdirektoren weil sie mit aller Macht nach vorn an die Fleischtöpfe Europapokal wollen. Bei uns reicht „Einstelligkeit“ und Selbstzufriedenheit. Bei allen Scherben die er hinterlassen hat, aber Max Eberl hat das erkannt und ist (auch) an den Umständen und dem Expertenbefreiten Umfeld gescheitert. Seitdem geht es schleichend bergab. Ich mache mir große Sorgen….

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  6. Ralf Schädle

    Einen Trainer,der es schafft,Leverkusen auf den vorletzten Platz zu coachen und bei uns nach nunmehr 2 Jahren keinen einzigen halbwegs sichtbaren Fortschritt herbeigeführt hat,braucht man nicht näher zu bewerten!Wagner und Steffen wären frei gewesen und solange die beiden von den Mega-Vereinen Augsburg und Bremen verpflichtet wurden,hat Virkus an den Bier-und Bratwurstständen in Glehn das getan,was er am besten kann,nämlich herumlabern…

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