Borussia hat sich im Sommer verändert: Der Etat wurde verkleinert, der Kader angepasst und die Führungsrollen neu verteilt. Nach der enttäuschenden Vorsaison ist jedoch endlich eine klare sportliche Ausrichtung gefragt. Der Verein sollte auch im Management über einen Umbruch nachdenken.
Borussia ist es in diesem Sommer gelungen, den Etat zu reduzieren und gleichzeitig keine allzu großen Einbußen bei der Qualität des Kaders hinzunehmen. Nach Jahren hat endlich ein wirklicher Umbruch stattgefunden. Tim Kleindienst, der bereits in der vergangenen Saison eine Führungsrolle eingenommen hat, obwohl er nicht Kapitän war, sowie Rocco Reitz, der sinnbildlich für den oft genannten „Borussia-Weg“ steht, gehen nun auch offiziell voran. Ein Führungswechsel, der sich bereits in der vergangenen Saison angedeutet hatte. Julian Weigl hatte bereits früh in der Sommerpause angeboten, seine Binde abzugeben – wohl wissend, dass ein Führungswechsel bevorstehen könnte. Kurze Zeit später entschied er sich, zu Al-Qadsiah nach Saudi-Arabien zu wechseln. Alassane Plea (PSV Eindhoven) und Ko Itakura (Ajax Amsterdam) wechselten in die niederländische Eredivisie. Sie überzeugten in ihrer Zeit bei Borussia nicht nur mit ihren fußballerischen Qualitäten, sondern waren auch Teil des Mannschaftsrats.
Borussia hat sich sinnvoll verstärkt – mit einem kalkulierten Risiko
Mit Shuto Machino, der von Holstein Kiel kam, und Giovanni Reyna, der nach seiner von Verletzungen geplagten Zeit in Dortmund einen Neustart suchte, haben sich die Optionen in der Offensive erweitert. Das Offensivspiel ist so nicht mehr nur auf Kleindienst ausgerichtet, der bis zu seiner Rückkehr von Haris Tabakovic vertreten wird. Machino kann nicht nur hinter dem einzigen Mittelstürmer agieren, sondern auch im 4-4-2 neben diesem mitspielen. Reyna wiederum ist zwischen den Linien am stärksten. Unter Gegnerdruck trifft er blitzschnelle Entscheidungen, die für Torgefahr sorgen können, wie im Testspiel gegen Schalke zu sehen war. So kann sich Kleindienst auf seine Qualitäten als Vollstrecker konzentrieren und die gesamte Mannschaft mitnehmen, indem er vorangeht. Aktuell ist das jedoch Zukunftsmusik. Kleindienst arbeitet an seinem Comeback und Reyna muss topfit sein. Wenn man seinen Worten Glauben schenken mag, scheint es derzeit noch nicht für mehr als eine Stunde zu reichen. Solange die Ergebnisse in der Liga stimmen, kann sich Borussia in Geduld üben. Andernfalls werden kritische Stimmen laut, die das kalkulierte Risiko monieren werden.
In der Abwehr steht nun Kevin Diks, der vom FC Kopenhagen zur Borussia kam. Der indonesische Nationalspieler hat sich nahtlos eingefügt, wenngleich ihn ein kleiner muskulärer Rückschlag zu Saisonbeginn gebremst hat. Grundsätzlich fällt nicht auf, dass er erst seit wenigen Monaten in Mönchengladbach spielt, was auch seiner Führungsrolle gerecht wird. Außerdem wurde mit Jens Castrop ein talentierter Mittelfeldspieler verpflichtet, der nach seinem Wechsel aus der 2. Bundesliga Zeit bekommen wird, um sich zu entwickeln. Am sogenannten „Deadline Day“ kam zudem Yannik Engelhardt von Como 1907 aus der italienischen Serie A an den Niederrhein, um den Abgang von Weigl zu kompensieren. Es ist gelungen, das Mittelfeld nicht nur breiter aufzustellen, sondern auch Spielertypen zu finden, die sich besser ergänzen als es in den Jahren zuvor. Nun gibt es zwei eher defensiv agierende und zwei mit Dynamik und einer Box-to-Box-Mentalität ausgestattete Mittelfeldspieler.
Verpflichtung von Top-Talenten: Ein holpriger Borussia-Weg
Wael Mohya soll nicht vergessen werden. Der 16-Jährige wusste im Trainingslager, als auch bei Testspielen zu überzeugen, bis ihn eine Knieverletzung stoppte. Die Kritik, dass Borussia mehr auf Talente wie ihn setzen müsse, ist nachvollziehbar, da zum Trainingsauftakt im Juli betont wurde, dass künftig stärker auf die eigene Jugend gesetzt werden solle. Qualität setzt sich letztlich durch, nicht die eigene Vorstellungskraft. Wenn es einem Talent pro Jahrgang gelingt, den Sprung zu den Profis zu schaffen, wäre das schon ein Erfolg. Shio Fukuda und Noah Pesch wurden nicht ohne Grund in die 2. Bundesliga verliehen. Nach Einschätzung der Verantwortlichen haben sie keine realistische Chance auf Einsätze bei den Profis. Das Gleiche gilt für Grant-Leon Ranos und Oscar Fraulo, die unter normalen Umständen keine Einsatzzeit erhalten werden. Bei diesem Abschnitt des „Borussia-Wegs“ muss nachgebessert werden, denn ohne Transfereinnahmen ist der Verein kaum noch handlungsfähig. Es müssen Top-Talente verpflichtet werden, die einschlagen – unabhängig davon, ob sie aus der eigenen Jugend kommen oder extern verpflichtet werden. Ansonsten wackelt das eigene Geschäftsmodell. Die Transfers von Tomas Cvancara und Nathan Ngoumou schmerzen immer noch sehr, weil sie entgegen der Erwartungen zu einer finanziellen Last geworden sind. Ähnliches trifft auf Florian Neuhaus und Jonas Omlin in einem anderen Zusammenhang zu.
Der Verein steht vor der Herausforderung diese Saison unter schwieriger gewordenen Bedingungen erfolgreicher zu gestalten als die vergangene, in der durch eine Sieglosserie Europa und die Einstelligkeit verpasst wurden. Das Trainerteam um Gerardo Seoane ist gefordert, die defensive Stabilität weiter aufrechtzuerhalten und nun die Torflaute zu beenden. Die Balance zu finden, das scheint auch im dritten Jahr eine Herausforderung zu sein. Der Kader ist stark genug besetzt, um zumindest die Platzierung der Vorsaison zu erreichen. Mit erneuten Erklärungsversuchen um einen stattfindenden Prozess, wird kein Fan mehr abzuholen sein. Die Geduld wurde derart strapaziert, dass sich die Verantwortlichen glücklich schätzen müssten, ein solch ruhiges Umfeld zu haben. Stattdessen gab es in der Vergangenheit wiederholt Stimmen, die von einer überzogenen Erwartungshaltung sprachen. Jetzt stehen Trainer und Mannschaft in der Verantwortung es besser zu machen, denn die Rahmenbedingungen sind nicht so schlecht, dass die gesteckten Ziele nicht erreicht werden könnten. Nebenbei bemerkt wurde nie ein konkretes Saisonziel kommuniziert. Das ist jedoch ein anderes Thema.
Virkus ohne Vision. Ist ein Umdenken notwendig?
Es ist nicht alles schlecht, was bei Borussia passiert – auch wenn Roland Virkus seit seiner Anstellung als Geschäftsführer umstritten ist und vielfach kritisiert wurde. Während seine Transferbilanz durchwachsen ist, fehlt für Borussia gänzlich eine klare strategische Ausrichtung. Denn die Trainerwechsel wirken noch bis heute nach, weil damit zusammenhängende Transfers und Vertragsverlängerungen teils ihren Sinn verfehlten. Für was die Mannschaft konkret fußballerisch stehen und mit welchen Maßnahmen das erreicht werden soll. Das ist nach wie vor unklar. Es wirkt eher so, dass Borussia immer das sein möchte, was sie gerade nicht ist. Nach zu vielen Gegentreffern muss die Defensive stabilisiert, nach weniger Spielkontrolle braucht es mehr Ballbesitz, aktuell muss die Torflaute beendet werden. Es fehlt eine klare Vision, die den Fans vermittelt wird. Stattdessen wird in einem Standpunkt erklärt, was erreicht wurde. Dieses Vorgehen bietet sicher weniger kritische Angriffspunkte, an denen die Verantwortlichen gemessen werden können, so wirkt es aber wie ein fortlaufendes Relativieren der erzielten Ergebnisse. Auch aus diesem Grund ist es zu begrüßen, dass die Vereinsführung darüber nachdenkt das sportliche Management umzustrukturieren. Denn es fehlt klar jemand, der mehr als nur Schadensbegrenzung betreiben kann, sondern eben auch Mut hat zu gestalten und das auch selbstbewusst nach außen vertritt.
Ein neuer Sportdirektor, beispielsweise wie Nils-Ole Book könnte sich mit folgenden Fragen beschäftigen: Wie kann das Scouting besser aufgestellt werden, dass Transfers von Top-Talenten eine verbesserte Erfolgsquote haben? Wie kann die Jugendarbeit aufgestellt werden, dass pro Jahrgang mindestens ein Nachwuchstalent den Sprung zu den Profis schafft? Wie kann intern wie extern kommuniziert werden, dass eine Leistungskultur gefördert wird? Es ist aber eher weniger davon auszugehen, dass er sich ausgerechnet damit befassen dürfte. Klar ist dennoch, dass es wie bei der Mannschaft auch mal gut sein kann einen Umbruch im Management zu vollziehen, oder zumindest die Weichen in diese Richtung zu stellen. Besser ist es das von sich aus anzustoßen, als dazu gezwungen zu sein.