Borussia bestreitet einen neuen Weg

Der große Umbruch wurde eingeleitet, die strategische Neuausrichtung vorgenommen. Borussia hatte die wahrscheinlich größte Herausforderung der vergangenen zehn Jahre zu meistern gehabt. Was darf einen zuversichtlich stimmen, dass es in Zukunft wieder besser werden wird?

Die folgenden Worte können aufgrund der Schnelllebigkeit im Fußball morgen nichts mehr wert sein. Aus diesem Grund bedienen sich Profifußballer und Trainer der Floskel, dass von Spiel zu Spiel geschaut werden müsse. Prognosen werden eher kaum getroffen, die Konzentration liegt viel mehr im Hier und Jetzt. Der von Borussia eingeleiteten Umbruch bildet in diesem Fall die Ausnahme. Wie ist die bisherige Arbeit von Sportdirektor Roland Virkus und seinem Team zu bewerten, und was bedeutet für Zukunft dieses stolzen Traditionsvereins, nachdem die vergangenen Jahre so nervenaufreibend waren? Es sei so viel gesagt: Diese Frage wird im Folgenden nicht vollständig beantwortet werden können. Das ist auch gar nicht der Anspruch. Die heutige Antwort wird vermutlich anders sein, als die in zwei Wochen. Es geht viel mehr darum die aktuelle Perspektive von Borussia Mönchengladbach zu ergründen, ob der Verein für die kommenden Jahre gewappnet ist.

Kadermanagement, Kommunikation, Kompromissbereitschaft

Gerardo Seoane steht seit diesem Sommer an der Seitenlinie, auch weil sein Vorgänger viel (ver)sprechen, aber kaum etwas halten konnte. Der Schweizer passt mit seinem pragmatischen Ansatz zu einer Mannschaft, die sich in vielerlei Hinsicht neu finden muss. Trotz eines schwierigen Auftaktprogramms lassen sich in der frühen Saisonphase kleine, positive Entwicklungsschritte feststellen. Gleichzeitig wird die neue Breite das Kaders bestmöglich genutzt. Das lässt sich daran erkennen, dass häufiger rochiert und gewechselt wird. In diesem Zusammenhang ist vermutlich Rocco Reitz der große Gewinner, der seine Chance beim Heimspiel gegen den FC Bayern zu nutzen wusste. Seoane ist es in kürzester Zeit gelungen eine Einheit zu bilden, was Spieler in Interviews und Fangesänge auf den Rängen bestätigen. Im Verein ziehen alle an einem Strang, was inmitten eines Umbruchs sicher von Vorteil ist. Die oberste Priorität sollte es in der aktuellen Situation sein mit der Mannschaft Fortschritte zu machen, nicht primär einem Ideal nachzueifern.

Ein Trainer muss mit dem arbeiten, was der Kader hergibt. In Anbetracht des großen Umbruchs muss den Verantwortlichen ein großes Lob ausgesprochen werden. Kein Neuzugang bleibt hinter den Erwartungen zurück. Dabei standen die Kaderplaner vor der Herausforderung eine Mannschaft mit ausreichend Perspektive, aber auch genügend Qualität für die laufende Saison zusammenzustellen. Hinzukommt, dass sich Borussia breiter aufstellen musste, ohne aber den Aufbau einer neuen Hierarchie aus dem Blick zu verlieren. Tomas Cvancara, Luca Netz, Rocco Reitz und Nathan Ngoumou gehören beispielsweise zu den Perspektivspielern, während u.a. Florian Neuhaus, Alassane Plea und Julian Weigl vorangehen. Die Hierarchie innerhalb der Mannschaft ordnet sich gerade neu. Es ist ein gesunder Konkurrenzkampf entstanden, weil sich nahezu jeder gebraucht fühlt. Dadurch gibt es den Anreiz im Spiel und in Trainingseinheiten immer an sein individuelles Leistungslimit zu gehen, was wiederum für die Gesamtentwicklung förderlich ist. Außerdem gibt es Charakterköpfe, wie Reitz und Wöber, die in ihrer jeweiligen Art unersetzbar sind. Seoane hat demnach einen formbaren, vielseitigen Kader zur Verfügung gestellt bekommen, der zum „Borussia-Weg“ passt.

Der Weg ist das Ziel – so, oder so ähnlich

Jetzt gilt es für den Trainer aus diesem Kader das volle Potenzial herauszuholen, beispielsweise indem die Jüngsten im Kader langsam herangeführt werden, um Borussia mittelfristig weiterhelfen zu können. Das befreit einen jedoch nicht davon die kurzfristigen, sportlichen Ziele aus dem Blick zu verlieren. Der Klassenhalt sollte möglichst früh geschafft werden, um auf die im Sommer erarbeitete Ausgangslage aufbauen zu können. Dabei spielt Manu Koné eine entscheidende Rolle, der Borussia im kommenden Jahr ziemlich sicher verlassen wird. Die geschätzte Ablösesumme von 35 Millionen Euro wäre die Chance, um den eingeleiteten Umbruch abzuschließen. Beispielsweise ließen sich dadurch die Leihspieler fest verpflichten oder kleinere Korrekturen vornehmen. Da die allermeisten Spieler einen langfristigen Vertrag unterzeichnet bzw. sich „committed“ haben, kann der Kader inzwischen wieder aktiv gestaltet werden. Noch weiter in die Zukunft geblickt, könnte die eigene Jugendarbeit wieder zu einem entscheidenden Erfolgsfaktor werden. Borussia hat sich zuletzt dem Ziel verschrieben, wieder mehr auf den eigenen Nachwuchs zu setzen. Reitz dürfte erst der Anfang gewesen sein. In spätestens zwei, drei Jahren kann noch mit dem einen oder anderen hochbegabten Talent gerechnet werden, wenn Experten geglaubt werden darf.

Borussia verspricht sich beispielsweise viel von Tiago Pereira Cardoso, der vor einem Jahr von Fola Esch in die U17 von Borussia wechselte. Der 17-jährige Luxemburger gilt als das größte Torhütertalent im Fohlenstall, debütierte erst im Juni für sein Heimatland und gehört inzwischen fest zum Nationalmannschaftskader. Beobachter sagen dem Sprachkünstler eine gewisse Reife und Führungsqualität nach. In der Abwehr scheint Ibrahim Digberekou das vielversprechendste Talent zu sein. Der belgische U19-Nationalspieler unterschrieb in diesem Jahr seinen ersten Profivertrag, und durfte in der Saisonvorbereitung bei der ersten Mannschaft reinschnuppern. Mit seinen erst 18 Jahren besticht er vor allem durch seine starke Physis. Im Mittelfeld setzt Borussia große Hoffnungen auf die beiden 16-jährigen Kilian Sauck und Niklas Swider. Letzterer zählt zu den besten defensiven Mittelfeldspieler im DFB-Nachwuchs, während sein U19-Mannschaftskollege durch seine einzigartigen Fähigkeiten mit Ball, der Marke Straßenfußballer, auffällt. Winsley Boteli (18) sollte in dieser kurzen Auflistung nicht vergessen werden. Der Schweizer zählt zu den torgefährlichsten Spielern im Fohlenstall. Das bedeutet nicht, dass sich alle durchsetzen werden, aber von den kommenden Jahrgängen wird schon erwartet, dass sich der eine oder andere wird durchsetzen können.

Rückkehr zum Borussia-Weg

Der Sportlichen Führung ist es gelungen die Fehler der Vergangenheit zu bereinigen und den Kurs zu korrigieren. Die strategische Ausrichtung, die Rückkehr zum „Borussia-Weg“, lässt sich nicht nicht mehr nur erahnen. Roland Virkus hat einen Trainer gefunden, der sich mit dem identifizieren kann, was sich Borussia vorstellt. Die Profi-Mannschaft soll weiterentwickelt, Top-Talente gefördert bzw. gefordert und Nachwuchsspieler integriert werden. Die Weichen für eine erfolgreiche Zukunft wurden gestellt. Jetzt heißt es diesen Weg nur noch möglichst erfolgreich zu gestalten, damit der Umbruch im kommenden Jahr abgeschlossen werden kann. Die Voraussetzungen wurden dafür bereits geschaffen und stimmen zuversichtlich für die Zukunft.

Ein Dank geht an dieser Stelle an bmg.edit, der mir mit Informationen zu den Nachwuchstalenten weiterhelfen konnte.

 

 

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