Der Stratege am Niederrhein: 10 Jahre Max Eberl als Sportdirektor

Borussia Mönchengladbach war über Jahrzehnte eine graue Maus, mit der Jahrtausendwende pendelte der Verein zwischen Abstiegskampf und 2. Bundesliga. Die glorreichen Zeiten der Fohlenelf waren sehr weit entfernt, so weit, dass die andauernde Unzufriedenheit der Fans instrumentalisiert wurde. Speziell die „Initiative Borussia“ wollte die Vereinsführung stürzen, um den Erfolg an den Niederrhein zurückzubringen. Glücklicherweise wurde dieses Szenario abgewendet, auch weil die Borussia in letzter Sekunde in der Relegation den Klassenerhalt feiern konnte. Die Ära von Max Eberl hätte an diesem Punkt also ein ein jähes Ende finden können, jetzt feiert er zehn Jahre im Amt des Sportdirektors.

In dieser Woche war der Jubilar in China, derzeit müsste er im Flugzeug in Richtung Heimat sitzen. Dabei wird er genügend Zeit haben die letzten Jahre zu reflektieren, von Shanghai nach Frankfurt fliegt man circa 12 Stunden. Es heißt: zurück in die Heimat! Max Eberl fühlt sich inzwischen heimisch, er ist ohne Frage zu einem Gesicht des Aufschwungs, der neuen Fohlenelf geworden. Alles begann gleich nach seiner aktiven Laufbahn, ihm gelang der Einstieg als Nachwuchskoordinator bei der Borussia. Durch sein strategisches Denken hat sich diese Chance eröffnet, die Ausbildung zum Sportfachwirt während seines Fußballerlebens hatte sich ausgezahlt. Das war der Start in die Karriere nach der Sportkarriere.

Fohlenstall wiederaufgebaut

Die Jugendarbeit in Mönchengladbach bekam unter seiner Führung quasi ein Facelift, um wieder zukunftsfähig zu werden. Der Fohlenstall sollte wieder seinen Beitrag zum Erfolg des Vereins leisten, und nicht mehr nur für vergangene Tage stehen. Eugen Polanski, Marcell Jansen, Marvin Compper, Tobias Levels und Marko Marin entwickelten sich zu gestandenen Fußballprofis. Das waren die ersten Früchte, die nach dem Umdenken im Verein geerntet werden konnten. Die Profis dümpelten in dieser Zeit weiter im Abstiegskampf bzw. in der 2. Bundesliga. Im quasi allergrößten Chaos übernahm Max Eberl dann am 19. Oktober 2008 den Job als Sportdirektor. Christian Ziege und Peter Pander hinterließen durch ihren Aktionismus bei Transfers einen zusammengewürfelten Kader, der ihn noch vor Herausforderungen stellen sollte.

Erste Erfolgstransfers, erste große Einnahmen

Durch intelligente Transfers und einem Quäntchen Glück, damit ist Trainerwechsel zu Lucien Favre und die Relegation gemeint, ebnete er eine erfolgreiche Ära mit mehren Teilnahmen an Europa- und Champions League. Der Kader ist inzwischen nahezu vollständig umgebaut worden, altgediente Spieler, denen das Niveau für die Bundesliga fehlte wurden aussortiert. Max Eberl stellt dem Trainer einen Kader aus Talenten aus der eigenen Jugend bereit, aber auch höchst interessante Personalien aus dem Ausland und der 2. Bundesliga, und das mit einem extrem limitierten Budget. Tony Jantschke, Patrick Herrmann, Marc-André ter Stegen und Julian Korb setzten sich durch. Juan Arango, Marco Reus, Roman Neustädter, Dante, Mike Hanke und Martin Stranzl entwickelten sich zu Leistungsträgern. Die Borussia belegte nach dem überraschenden Klassenerhalt, in der Saison 2011/12, einen überragenden vierten Platz. Die Kehrseite des Ganzen: der Erfolg hatte Begehrlichkeiten geweckt.

Max Eberl war erstmals in der Situation mehrere Leistungsträger gleichzeitig ersetzen zu müssen: Dante wechselte zum FC Bayern München, Reus zu Borussia Dortmund, Neustädter zum FC Schalke. Die Borussia konnte die verlorene Qualität, trotz Einnahmen von rund 25 Millionen Euro, nicht sofort auffangen. Talente aus Europa sollten es richten – sie bekamen die Chance sich auf höchstem Niveau zu beweisen und weiterzuentwickeln. Noch heute wird diese Strategie im Verein verfolgt, auch wenn inzwischen eine ganz andere Erwartungshaltung entstanden ist. Der Sportdirektor der Borussia musste erstmals schwere Verhandlungen führen, mit sehr viel Geld umgehen. Die ersten Transfers schlugen nicht so wirklich ein, man kann sich durchaus als Flop bezeichnen. In dieser Phase schien er viel dazuzulernen.

Auf, auf, auf in die Champions League

Raffael, Max Kruse, Christoph Kramer, Mahmoud Dahoud, Granit Xhaka, Thorgan Hazard, Lars Stindl, Yann Sommer, Andreas Christensen, Jannik Vestergaard, sie können gar nicht alle genannt werden, prägten die Phase der Borussia auf Europatournee. Spätestens jetzt war die strategische Arbeit des Sportdirektors belohnt. Die Qualität des Kaders wurde sukzessive gesteigert, und das ohne sich zu übernehmen. Die heile Welt wurde dann abrupt ein Ende gesetzt, Lucien Favre erklärte seinen Rücktritt. In der ersten Champions-League-Saison übernahm André Schubert – erst als Interimslösung, dann in einer festen Rolle. Max Eberl sollte noch seine Schlüsse daraus ziehen. Die Borussia fand sich nämlich trotz einer weiteren Spielzeit in der Königsklasse im Dezember nahe der Abstiegsränge wieder. Die Vertragsverlängerung mit Schubert schien sich zu rächen, und wurde ihm negativ ausgelegt. Dieter Hecking übernahm schließlich in der Winterpause den Posten des Trainers.

Knallhart durchgegriffen, und aus Fehlern gelernt

Max Eberl, der immer auf Kontinuität bedacht ist, musste nach beständigen Jahren mit Lucien Favre die Stabilität wiederfinden. Bei Transfer behielt er weiterhin ein gutes Näschen, jedoch wurden an anderen Stellen im Verein große Baustellen aufgemacht. Der Borussia fehlte nach den Trainerwechseln auf einmal eine Identität. Die Fohlenelf schien wieder so weit entfernt zu sein, wie von den starken Siebzigern. Dazu kam die Misere an Verletzten, die moderiert und abgestellt werden musste. In dieser Phase waren vor allem die Fans äußerst unzufrieden, ohne dass die Vereinsführung genau verstand wieso. Der Sportdirektor wurde zur Zielscheibe als er sich nach einem Heimsieg über den Hamburger SV kritisch über die Pfiffe äußerte. Im Sommer 2018 wurde die Sommerpause dazu genutzt, um mit Dieter Hecking die Fehler der vergangenen Jahre aufzuarbeiten.

Das Team um die Mannschaft herum wurde umgebaut, die sogenannte „Wohlfühloase“ wurde erschüttert. Max Eberl ist also durchaus in der Lage knallhart durchzugreifen, wenn es sein muss. Außerdem sollte die Borussia wieder für attraktiven Fußball stehen, die Fohlen-DNA sollte auf den Platz zurückkehren. Er blieb sich treu und korrigierte Fehler, ohne in blinden Aktionismus zu verfallen. Der strategische Blick wird ihm auch in dieser Situation geholfen haben. Er hat es geschafft! Die Borussia ist unlängst zu einem Auffangbecken für Talente Europas geworden, sei es mit Perspektive für die Profis, oder im Jugendbereich. Dazwischen platziert er dann noch den ein oder anderen Transfercoup: Matthias Ginter, Denis Zakaria oder Florian Neuhaus. Darüberhinaus zeigt er mit Alassane Plea, dass er es mit dem klassischen Stürmer doch kann.

Fast schon größer als sein Vorbild

Max Eberl hat in seiner Zeit bei der Borussia sicher nicht alles richtig gemacht, keine Frage, das weiß er auch selbst. Die Kunst ist es aber aus dem zu lernen was nicht so gelaufen ist, und es nicht mehr zu wiederholen. Schritt für Schritt entwickelt er sich und die Borussia zu einer Marke in Deutschland und in der Welt. Es fällt dadurch schon auf, dass er sich Uli Hoeneß als Vorbild genommen hat, der über Jahrzehnte den FC Bayern zu dem gemacht hat was er heute ist. Beinahe wäre er den Rufen aus München gefolgt, entschied sich aber für einen Verbleib am linken Niederrhein. In Anbetracht von kuriosen Bayern-Pressekonferenzen und einer Art Marionette Hassan Salihamidzic hat er alles richtig gemacht. In Mönchengladbach kann er irgendwann aus eigener Kraft etwas Blechernes in der Hand halten, ganz sicher. Ganz uneigennützig natürlich: das hat er sich nach zehn Jahren verdient.

Alles Gute, Max!

 

 

 

3 Kommentare Der Stratege am Niederrhein: 10 Jahre Max Eberl als Sportdirektor

  1. Thomas

    Den Glückwünschen kann man sich – natürlich gaaaanz uneigennützig 🙂 – nur voll und ganz anschliessen!
    Wenn ich kein Athesist wäre, dann würde ich Gott dafür danken, dass wir den Max haben!

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  2. Rainer Polder

    Korrekter Artikel, vielen Dank an Max, nur mit dem „Blechernen“ wird wohl nicht klappen, denn trotz hoher Qualität fehlt in den entscheidenden Momenten immer das gewisse Etwas wie bei anderen Mannschaften.
    Wie ist es sonst zu erklären, dass eine im Grunde, bei allem Respekt, spielerisch doch eher limitierte Truppe wie Frankfurt, zwei Mal in Folge das Pokalfinale erreicht. Die Bremer standen in ihrer besten Zeit auch häufiger dort. Borussia schaffte es in ihrer guten Zeit bisher nicht ein einziges Mal dorthin! Die Spiele in Freiburg gehören auch in diese Kategorie. Das ist einfach nur noch peinlich, wie wir uns jedes Jahr zum Gespött im Breisgau machen.

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