Borussia entlässt Seoane – doch die wahren Probleme sitzen viel tiefer. Ein klarer Neustart im Sommer wurde verpasst, weil ein gravierender, strategischer Fehler begangen wurde. Unter normalen Umständen müssten weitere personelle Konsequenzen folgen.
Nach der Entlassung des Trainers deutet vieles darauf hin, dass die Hauptverantwortlichen bei Borussia bis zur 0:4-Niederlage gegen Werder Bremen auf die Arbeit von Gerardo Seoane vertraut haben. Nach Abpfiff wirkte Roland Virkus sichtlich überrumpelt nach den Ereignissen auf dem Platz. Die Mannschaft war zwar bemüht, aber viel wollte ihr nicht gelingen. In der zweiten Halbzeit, in der auch mehr Gegentreffer hätten fallen können, konnte das Debakel auch nicht mehr abgewendet werden – im Gegenteil. Der Geschäftsführer hatte offensichtlich nicht damit gerechnet, dass Borussia in diesem wichtigen Spiel einen solchen Auftritt hinlegen würde. Er war überzeugt, dass Seoane an die positiven Phasen der vergangenen Spielzeit anknüpfen würde.
Ein strategischer Plan wird vermisst
Auch im Interview mit der Rheinischen Post, das nur wenige Tage vor der Entlassung des Trainers geführt wurde, waren keine Zweifel zu erkennen. Virkus zählte die Erfolge der mannschaftlichen Entwicklung auf, die dem Trainer gelungen waren. Der gemeinsame erfolgreiche Weg sollte nach seiner Ansicht in dieser Konstellation fortgesetzt werden. Auch aus diesem Grund scheint die Sondierung des Trainermarkts gerade erst anzulaufen, während Eugen Polanski bis auf Weiteres als Interimstrainer seine Chance bekommt. Alle Indizien deuten daraufhin, dass der Verein mit dieser Entwicklung nicht gerechnet hat. Insbesondere Rainer Bonhof und Roland Virkus, die dem Trainer öffentlichkeitswirksam den Rücken gestärkt und sich für den „Borussia-Weg“ eingesetzt haben, müssen sich fragen, ob sie die sportliche Lage in der Endphase der vergangenen Saison falsch eingeschätzt haben.
Dabei hätte Seoane seinen Job schon vor weniger als einem Jahr verlieren können, wenn nach dem 1:2 in Augsburg nicht eine sportlich erfolgreiche Phase gefolgt wäre. Die Ergebnisse sprachen für den Trainer, doch die Leistungen waren in dieser Zeit alles andere als beständig. Was die Verantwortlichen im sportlichen Bereich dazu bewogen hat, nach der abschließenden Analyse voll und ganz auf den Trainer zu vertrauen, obwohl anschließend noch sieben sieglose Spiele hinzukamen, bleibt nicht nur rückblickend unerklärlich. Nach einem nachhaltigen strategischen Plan wirkt das nicht, wenn die Saisonvorbereitung samt Transferphase so weggeworfen wird. Borussia steht so nur noch stärker unter Druck, nachdem sich der Umbruch über Jahre gezogen hat. Die kommenden Entscheidungen müssen mehr denn je greifen.
Erkennt Borussia die eigentlichen Probleme?
Das liegt nun in der Verantwortung von Roland Virkus: „Alles, was ich hier mache, tue ich für diesen Klub und das werde ich auch weiterhin tun. Es ist jetzt unsere Aufgabe, den besten Trainer für die Borussia zu finden.“ Nach mehreren Trainerwechseln, teuren Transferflops und Vertragsverlängerungen sowie gravierenden Fehleinschätzungen scheint er dennoch vereinsintern genügend Rückendeckung zu haben. Unter „normalen“ Umständen sollte die Luft für ihn dünner werden – trotz gelungener Verpflichtungen wie die von Tim Kleindienst. Wenn eine Entlassung des Trainers als Niederlage begriffen wird, dann könnte das erklären, wieso sonst keine personellen Konsequenzen gezogen wurden.
Den außenstehenden Fans wird so vermittelt, dass die Analysen allem Anschein nach zu falschen Schlüssen führen und die Trainerentlassung überstürzt entschieden wurde. In kürzester Zeit muss sich die Einschätzung der sportlichen Situation geändert haben, denn es wirkt nicht so, als wären die Probleme unter Seoane in der Tiefe erfasst worden. Wie soll sich in dieser Konstellation zukünftig weitergearbeitet werden? Die sportliche Talfahrt konnte nicht gestoppt werden. All das scheint jedoch nicht auszureichen, damit Roland Virkus an einen Rücktritt denkt oder eine Entlassung bevorsteht – was äußerst bedenklich ist.