Die Sorgenfalten werden tiefer

Borussia befindet sich wieder in einer Situation, die an die letzte Saison erinnert. Nach der 1:2-Niederlage in Augsburg bleibt der Eindruck bestehen, dass die Mannschaft nach kleinen Anpassungen und einer knallharten Analyse keine entscheidenden Fortschritte gemacht hat. Spätestens jetzt zeigt sich, dass im Sommer mehr hätte verändert werden müssen.

In der vergangenen Saison gelang der Klassenerhalt durch die Schützenhilfe des Erzrivalen und Absteigers Köln. Angesichts der bisherigen Punkteausbeute ist nicht davon auszugehen, dass es um mehr als den Klassenerhalt gehen wird. Ein klares Ziel wurde inzwischen formuliert, aber ob der neunte Platz mit diesem Punkteschnitt erreicht werden kann, bleibt äußerst fraglich. Zwar zeigt sich die Mannschaft fußballerisch verbessert, aber das mag auch daran liegen, dass die Neuzugänge das Spiel der Borussia prägen. Denn beim Auswärtsspiel in Augsburg überwog der Eindruck, dass sich an der Spielweise im Vergleich zur Vorsaison nichts Entscheidendes geändert hat, sondern vieles von kreativen Ideen Einzelner abhängt, kurz: das Offensivspiel ist zu eindimensional. Über die regelmäßigen Aussetzer in der Defensive muss gar nicht mehr geschrieben werden.

Es sind nicht nur Kleinigkeiten

An Kleinigkeiten liegt es nicht, wie Roland Virkus nach der 3:4-Auswärtsniederlage in Sinsheim in der vergangenen Saison andeutete. Mit kleinen Anpassungen sei eine ähnliche Entwicklung wie beim VfB Stuttgart möglich, so die Argumentation des Geschäftsführer SportDabei wurde unterschlagen, dass der Stuttgarter Kader gar nicht das Problem war, sondern der Trainerwechsel zu Sebastian Hoeneß dafür sorgte, dass bereits im Abstiegskampf und in der Relegation ein deutlich attraktiverer Fußball gespielt wurde. Es ist zu hoffen, dass die internen Analysen tiefgründiger sind als die Aussagen nach außen. Wenn Virkus der Meinung ist, dass in diesem Kader ein nicht ausgeschöpftes Potential steckt auch wenn er in der gleichen Saison die Qualitätsfrage gestellt hat dann sollte Gerado Seoane in Frage gestellt werden, wenn nicht kurzfristig eine nachhaltig positive Entwicklung erkennbar wird.

Unabhängig davon muss sich die Vereinsführung insgesamt den Vorwurf gefallen lassen, in einer schwierigen Situation frühzeitig entschieden zu haben, am Trainer festzuhalten und den Kader nur punktuell zu verbessern. Auch der Umgang mit Nils Schmadtke, der inzwischen als Chefscout zum FC Bayern München gewechselt ist, hinterlässt angesichts der kursierenden Abgangsgerüchte einen faden Beigeschmack. Auch, weil er nicht der einzige gewesen sein soll, der den Verein nicht nur aus fachlichen Gründen verlassen musste. Auch die Berufung von Stefan Stegemann zum neuen Geschäftsführer und Nachfolger von Stephan Schippers kam für vereinsnahe Beobachter nicht wirklich überraschend. In den letzten Monaten hat sich der Eindruck verfestigt, dass man sich intern gegenseitig den Rücken stärkt, ohne dass dabei nennenswerte Ergebnisse erzielt werden. Ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis die Vertragsverlängerung von Roland Virkus verkündet wird? Es ist zu hoffen, dass hier wirklich knallhart analysiert wird.

Eine nicht nachvollziehbare Kaderpolitik

Denn dem Kader hätte mehr Veränderung gut getan, anstatt darauf zu hoffen, dass die beiden Außenverteidiger Luca Netz und Joe Scally entscheidende Schritte nach vorne machen. Derzeit ist man auf diesen Positionen zu dünn besetzt und zu abhängig von ihrer Entwicklung. Auch stellt sich die Frage, was Borussia dazu bewogen hat, einen Ko Itakura zu halten, für den man geschätzte 15 Millionen Euro hätte kassieren können. Sicherlich hätte ein Charakterkopf wie Tim Kleindienst der Abwehrreihe gut getan. Die Einnahmen aus dem Koné-Transfer dürften bereits aufgebraucht sein, um u.a. alle Sommertransfers zu finanzieren und z.B. die Abfindung für Christoph Kramer zu bezahlen. Auch in der Offensive fehlen bei verletzungsbedingten Ausfällen ernsthafte Optionen für die Flügel. Mittlerweile stehen vier U23-Spieler im Kader, denen man aufgrund ihrer Einsatzzeiten nicht viel zuzutrauen scheint. Ein weiterer flexibler Angreifer hätte dem Team gut getan, auch weil man in der Vergangenheit wenig nachvollziehbare Verpflichtungen getätigt hat. Es gibt zwei offensive Außenbahnspieler für die rechte Seite und einen Mittelstürmer, der jetzt hauptsächlich dort spielen muss, weil erst im Sommer ein neuer für seine Position verpflichtet wurde.

Unter normalen Umständen müsste der Trainer intern zur Diskussion stehen, denn nachdem schon in der letzten Saison vieles nicht so lief, wie man es sich erhofft hatte, gibt es jetzt kaum Erklärungsansätze, warum man zuletzt ähnliche Ergebnisse gesehen hat. Entscheidende Fortschritte sind bisher ausgeblieben, so dass es spätestens nach einer weiteren Niederlage ungemütlich werden könnte. Das könnte nicht nur Gerardo Seoane, sondern auch den Geschäftsführer Sport und alle anderen im Verein treffen, die um Vertrauen in die Arbeit der Verantwortlichen gebeten haben. Bis auf wenige Ausnahmen gibt es derzeit keine Anzeichen, dass der Negativtrend gestoppt werden kann. Es muss jetzt ungemütlich werden, denn diese Kontinuität ohne Substanz hilft am Ende auch nicht weiter, wenn es über einen längeren Zeitraum nicht gelingt, die gesteckten Ziele zu erreichen. Es darf keine Ausreden mehr geben, wie bei der letzten Mitgliederversammlung, um alles schönzureden. Wie lange soll das noch so weitergehen? Die viel größere Frage: Wer im Verein zieht in einem solchen Fall die Reißleine? Die Sorgen vieler Fans bleiben.

Hier geht es zur Analyse vom 20. Mai, in der viele Probleme der vergangenen Saison aufgearbeitet wurden: https://schwarzweissgruen.de/wir-machen-uns-sorgen-borussia

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